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Ganz Germanien scheiden die Ströme Rhein und Donau vom gallischen und rätisch-pannonischen Gebiet; gegen Sarmater wie Daker bilden Gebirge oder das Mißtrauen hüben und drüben die Grenze. Das übrige umfließt in weiten Buchten der Oceanus, unermeßliche Inseln umfangend; dort sind einige Völkerschaften und Herrscher neulich bekannt geworden, die ein Kriegszug erschloß. Der Rhein entspringt einem unzugänglich jähen Hang der Rätischen Alpen, wendet sich in mäßiger Biegung gegen Westen und mündet ins nördliche Meer. Die Donau strömt in dem sanft und gemächlich ansteigenden Gebirgszug Abnoba hervor und kommt an mancherlei Völker heran, bis sie ins Pontische Meer in sechs Mündungen durchbricht. Ein siebenter Auslauf verliert sich in Sümpfen.
Das Volk der Germanen scheint mir ureingeboren zu sein und ganz und gar nicht berührt durch Zuzug oder Aufnahme aus fremden Stämmen. Denn nicht zu Lande, sondern auf vielen Schiffen kamen in der Urzeit die Wanderer, die einen neuen Wohnsitz suchten; und ins unermeßliche Meer dort droben, in eine, ich möchte sagen andere Welt gelangen Fahrzeuge aus unserem Erdkreis kaum. Und wer hätte denn auch, ungerechnet die Gefahr auf dem schauerlichen, unbekannten Meere, Asien, Afrika oder Italien verlassen und nach Germanien ziehen mögen, in ein ungestaltes Land unter rauhem Himmel, wüst zu bewohnen und anzuschauen für alle, die da nicht heimisch sind?
Sie feiern in alten Liedern, den einzigen Denkmälern
ihrer Überlieferung und Geschichte, einen erdgeborenen Gott
Es heißt auch, daß Herkules bei ihnen gewesen sei, und
sie singen von ihm als dem ersten aller Tapferen, wenn sie
in den Kampf ziehen. Noch eine Art Schlachtgesang haben
sie, dessen Vortrag, barditus genannt, sie befeuert, ja den
Ausgang der kommenden Schlacht in dem bloßen Klang
ahnen läßt; denn sie schrecken oder erschrecken selbst, je nachdem
es durch die Reihen dröhnt, gleich als wäre das nicht
so sehr der Hall ihrer Stimmen als ihres Heldenmuts. Ein
gewollt rauher Schall, ein jäh abbrechendes Brausen entsteht,
wenn sie die Schilde vor den Mund halten, daß die
Stimme rückprallend noch voller und tiefer schwelle.
Doch auch Ulixes, so meinen welche, habe auf seiner langen
Selber schließe ich mich denen an, die Germaniens Stämme, rein und vor jeglicher Mischung mit Fremden bewahrt, für ein eigenes, unverfälschtes, keinem anderen vergleichbares Volk nehmen. Daher auch, unerachtet der großen Menschenzahl, überall der gleiche Schlag: hellblaue trotzige Augen, rotblondes Haar, gewaltige Leiber, nur zu Tat und ungestümem Drängen taugend; mühsamer Arbeit sind sie nicht in gleichem Maße gewachsen. Durst und Hitze können sie gar nicht vertragen, Kälte aber und Hunger sind sie in ihren Breiten, auf ihrem Boden gewohnt.
Das Land sieht wohl nicht überall gleich aus; doch allenthalben
starrt schrecklicher Urwald, dehnen sich häßliche
Sümpfe. Es ist feuchter gegen Gallien hin, windiger gegen
Noricum und Pannonien: Saatgut trägt es, Fruchtbäume
gedeihen nicht, Vieh ist häufig, aber meist unansehnlich.
Selbst nicht die Rinder haben ihr stattliches Wesen und
ihren Schmuck an der Stirn: nur die Zahl der Herde erfreut,
Selbst Eisen haben sie nicht allzuviel, wie ihre Waffen
zum Angriff zeigen. Wenige führen Schwerter oder längere
Spieße; meist brauchen sie Speere (wie sie sagen, Framen)
mit schmaler, kurzer Eisenspitze, aber so scharf und so
handlich, daß sie dieselbe Waffe, je nach Bedürfnis, im Nah-
wie im Fernkampf verwenden können. Der Reiter begnügt
sich mit Schild und Frame, das Fußvolk schleudert auch Geschosse,
jeder gleich mehrere, und wirft, nackt oder nur im
leichten Mantel, unglaublich weit. Ihre Rüstung prunkt nicht;
nur die Schilde bemalen sie unterschiedlich mit den buntesten
Farben. Panzer haben sie kaum, Helme aus Erz oder Leder
nur einer und der andere. Die Pferde sind nicht durch
Schön
Die Hauptmacht wird in Keilform aufgestellt. Vom Platze weichen gilt, wenn man nur wieder vordringt, eher für klug und nicht als Feigheit. Ihre Verwundeten bringen sie auch in bedenklichen Kämpfen in Sicherheit. Den Schild im Stiche zu lassen, ist der ärgste Frevel. Ein derart Ehrloser darf nicht mit opfern noch mit raten. Und schon mancher, der im Kriege davonkam, hat seine Schmach mit einer Schlinge beendet.
Könige wählt man nach ihrem Adel, Führer nach ihrer
Tapferkeit. Doch auch der Könige Macht ist nicht ohne
Schranken, nicht Willkür, und die Führer wirken weit mehr
durch ihr Vorbild als durch ihr Amt: wenn sie überall zur
Hand, wenn sie allen sichtbar, wenn sie immer vorne kämpfen
und zur Bewunderung fortreißen. Auch ist es ihnen
nicht erlaubt, über Leben und Tod zu richten, noch fesseln
zu lassen; ja selbst zu Schlägen verurteilen dürfen nur
Priester, gleichsam als geschähe es nicht zur Strafe noch
Es ist uns überliefert, daß Frauen, mehr als einmal, schon wankende und weichende Reihen durch ihr unablässiges Flehen, die Brüste entblößend und auf die drohende Gefangenschaft deutend, wieder hergestellt haben. Denn ihre Frauen gefangen zu denken, ist ihnen ganz unerträglich, und das geht so weit, daß Völkerschaften, die unter ihren Geiseln auch adlige Mädchen stellen müssen, wirksamer gebunden sind. Ja, sie schreiben den Frauen etwas Heiliges, Seherisches zu und verschmähen nicht ihren Rat, überhören nicht ihren Bescheid. Wir haben gesehen, wie zu des erlauchten Vespasianus Zeit Veleda weit und breit als göttliches Wesen galt. Aber auch früher haben sie Albruna und manche andre Frau verehrt, doch nicht aus Schmeichelei, noch als machten sie Göttinnen aus ihnen.
Unter den Göttern verehren sie am höchsten den Mercurius; sie glauben, ihm an bestimmten Festen auch Menschenopfer bringen zu dürfen. Mars und Herkules versöhnen sie nur mit erlaubten Tieren. Ein Teil der Sueben dient auch der Isis. Anlaß und Ursprung dieser fremden Anbetung kann ich nicht recht erklären; nur zeigt gerade das Sinnbild, einem Liburnerschiff gleichend, daß sie über die See eingedrungen ist. Übrigens widerstrebt es ihrer Anschauung von der Größe der Himmlischen, die Götter in Mauern zu sperren und mit menschlichen Zügen abzubilden. Sie weihen ihnen Wälder und Haine und rufen mit Götternamen jene geheime Macht an, die sie nur in entrückter Andacht schauen.
Auf Vorzeichen und Losdeutungen achten sie wie nur
irgendein Volk. Das Verfahren beim Losen ist einfach. Sie
schneiden den Zweig von einem wilden Fruchtbaum zu
Stäbchen, ritzen auf jedes ein bestimmtes Zeichen und streuen
sie aufs Geratewohl über ein weißes Tuch hin. Dann hebt,
wenn in gemeiner Sache Rat gesucht wird, der Priester,
wenn in Sachen einzelner, das Familienhaupt, mit
einem Gebet zu den Göttern gegen Himmel aufblickend,
nacheinander drei Stäbchen auf und deutet sie gemäß
dem zuvor eingeschnittenen Mal. Sind sie nicht günstig, so
wird in derselben Sache am gleichen Tage nicht mehr befragt,
wenn aber günstig, noch die Bestätigung durch Vorzeichen
gefordert. Und zwar ist auch hier geläufig, Vogelstimmen
und Vogelflug zu erkunden: eigentümlich aber ist
diesem Volke, auch auf die Ahnungen und Warnungen von
Pferden zu achten. In den gleichen Hainen und Wäldern,
Dann gibt es noch eine Art Schicksalserforschung, durch die sie den Ausgang schwerer Kriege erfahren wollen. Aus dem Volk ihrer Gegner stellen sie einen Gefangenen, den sie irgendwie aufgegriffen haben, einem auserlesenen Kämpfer des eigenen Volkes gegenüber, jeden mit seinen heimischen Waffen: der Sieg des einen wie des anderen gilt als Vorbedeutung.
Über geringere Sachen beraten die Fürsten, über wichtigere
die Gesamtheit, jedoch so, daß auch, was das Volk
entscheidet, im Rat der Fürsten vorbesprochen wird. Sie
kommen, außer wenn ein unerwarteter Zufall eintritt, in bestimmten
Fristen zusammen, zum Neumond oder zum Vollmond;
denn diese Zeiten scheinen ihnen besonders günstig für
den Beginn eines Unternehmens. Sie zählen auch nicht wie
wir die Tage, sondern die Nächte. Darnach wird anberaumt
und zugesagt: die Nacht führt gleichsam den Tag herauf. Ihre
ungeregelte Freiheit hat das Mißliche, daß sie nicht gleichzeitig
und nicht nach dem Geheiß beisammen sind, sondern
daß oft ein zweiter, ein dritter Tag mit dem Warten auf
Säumige hingeht. So wie es der Schar genehm ist, setzen
Vor dieser Versammlung darf auch Klage angebracht und peinliches Gericht begehrt werden. Die Strafen scheiden sich nach dem Verbrechen. Verräter und Überläufer hängen sie an Bäumen auf, Feige, Weichlinge und am Körper Geschändete versenken sie in Schlamm und Morast und werfen Flechtwerk darüber. Die Verschiedenheit der Todesart deutet darauf, daß man Frevel durch die Strafe gleichsam kundtun, Schandtaten verbergen müsse. Aber auch für leichtere Vergehungen gibt es angemessene Strafe: die Überwiesenen werden um eine Anzahl von Pferden und Vieh gebüßt. Ein Teil der Buße wird dem König oder Gemeinwesen, der andere dem, der sein Recht erhält, oder seinen Verwandten geleistet.
In den gleichen Versammlungen werden auch die Fürsten bestimmt, die in Gauen und Dörfern Recht sprechen. Jedem solchen treten hundert Männer aus dem Volke als Rat und Beistand zur Seite.
Nie aber, ob sie nun Geschäfte des Gemeinwesens oder
eigene besorgen, erscheinen sie anders als gewaffnet. Doch
soll niemand die Waffen anlegen, ehe ihn nicht die Gemeinde
Vornehme Abkunft oder hohes Verdienst des Vaters sichert die Fürstengunst auch noch nicht Mannbaren. Solche schließen sich dann den übrigen, Älteren, längst schon Bewährten an. Und es ist für niemand beschämend, in einem Gefolge zu erscheinen. Ja im Gefolge selbst gibt es noch eine Rangordnung nach dem Ermessen des Gefolgsherrn, und groß ist der Wetteifer der Mannen um den ersten Platz zunächst dem Fürsten, wie auch der Fürsten um das zahlreichste und mutigste Gefolge. Das bringt Würde, bringt Macht: immerzu von einer großen Schar erlesener Jugend umgeben zu sein; im Frieden eine Zier, im Kriege Schirm und Schutz. Aber nicht nur bei seinem Stamm, sondern auch in den Nachbargauen wird bekannt und berühmt, wer sich durch Zahl und Wert seines Gefolges hervortut. Gesandte suchen ihn auf, er erhält Geschenke, und schon sein Ruf kann oft Kriege niederschlagen.
Kommt es zum Kampf, so ist es ein Schimpf für den Fürsten,
sich an Tapferkeit übertreffen zu lassen, ein Schimpf
fürs Gefolge, es der Tapferkeit des Führers nicht gleichzutun.
Höchste Schmach und Schande vollends ist es für das
ganze Leben, ohne den Herrn lebend vom Kampffeld zu
weichen: ihn zu verteidigen, ihn zu behüten, ja die eigene
Heldentat seinem Ruhm zuzurechnen, ist vornehmste
Eides
Wenn ihre Heimat in langem, müßigem Frieden verkommt, dann ziehen adlige Jünglinge oft auf eigene Faust hinaus zu anderen Völkern, die gerade Krieg führen. Denn ein ruhiges Leben gefällt diesem Volke nicht, in der Gefahr finden sie leichter Ruhm, und man kann auch ein großes Gefolge nur durch Gewalt und Krieg erhalten; heischen doch die Mannen von der Milde des Fürsten das Streitroß und die blutige, siegbewährte Frame. Auch ersetzt ja die Speisung und grobe, aber reichlich ausgerichtete Bewirtung den Sold: solcher Freigebigkeit schafft Krieg und Raub die Mittel. Den Acker zu pflügen und die Jahreszeit abzuwarten, würde sie keiner so leicht überreden; viel eher den Feind zu fordern und sich Wunden zu holen. Ja, es dünkt ihnen wohl faul und schlapp, im Schweiß zu erarbeiten, was mit Blut zu gewinnen wäre.
Wenn sie nicht Krieg führen, so verbringen sie ihre Zeit auf der Jagd, häufiger noch müßig, einzig dem Schlaf und dem Schmaus ergeben. Gerade die Tapfersten und Kriegstüchtigsten tun gar nichts und überlassen die Sorge um Heim und Herd und Flur den Frauen und Greisen oder recht den Gebrechlichsten aus der Sippe; sie selber sehen stumpf und träge zu. Sonderbarer Zwiespalt ihres Wesens, daß ganz die gleichen Menschen so sehr das Nichtstun lieben und doch die Ruhe hassen!
Es ist Sitte, daß die Gemeindegenossen freiwillig, jeder
für sich, den Fürsten Vieh und Korn beisteuern, was, zwar
als Ehrengabe empfangen, doch auch dem Bedarf zustatten
Daß die germanischen Stämme nirgends Städte bewohnen, ist genugsam bekannt, auch daß sie selbst geschlossener Siedelung abhold sind. Sie bauen ohne Richtung und Ordnung, wo ihnen eben ein Quell, eine Flur, ein Gehölz gefällt. Wohl legen sie Dörfer an, aber nicht nach unsrer Art mit verbundenen Gebäuden, in einem Zusammenhang: jeder für sich umgibt sein Haus mit einem freien Raum, vielleicht zum Schutz gegen Feuersgefahr, vielleicht weil er nicht besser zu bauen versteht. Selbst Bruchsteine und Ziegel sind ihnen unbekannt; überall verwenden sie ungefüges Holz, unbekümmert um Gefallen und Ansehn. Doch überstreichen sie einzelne Stellen recht sorgfältig mit einer Erdart von so reinem Glanz, daß es wie Bemalung und farbige Zeichnung wirkt. Auch graben sie unterirdische Höhlen und legen eine dichte Dungschicht darüber hin: als Zuflucht für den Winter und als Vorratsspeicher. Denn solche Räume mildern die strengen Fröste; und fällt einmal der Feind ins Land, so plündert er zwar, was offen daliegt, vom geborgenen und vergrabenen Gut jedoch erhält er nicht Kunde, oder es entgeht ihm gerade darum, weil ers erst suchen müßte.
Als Überwurf tragen alle einen kurzen Rock, der von
einer Spange, wo sie mangelt, von einem Dorn
zusammen
Doch ihre Ehesitten sind streng und in ihrer ganzen Lebensführung
wohl am meisten zu loben. Denn fast allein bei
diesem Barbarenvolk begnügt sich jeder mit einer Frau, von
ganz wenigen Männern abgesehen, die nicht ihre Lust befriedigen
wollen, sondern wegen ihrer hohen Stellung mehrfach
umworben werden. Eine Mitgift bringt nicht die Frau dem
Manne, sondern der Mann der Frau. Dazu finden sich Eltern
und Verwandte ein und prüfen die Geschenke. Geschenke
aber, die nicht als Weibertand noch zum Schmuck für die Neuvermählte
dienen sollen; sondern Rinder und ein aufgezäumtes
Roß und ein Schild samt Frame und Schwert. Auf diese
Geschenke hin nimmt der Mann die Frau entgegen, und dafür
bringt sie selber dem Mann auch ein Rüststück zu: dies
gilt ihnen als das stärkste Band, dies als geheime Weihe,
So leben die Frauen, von ihrer Keuschheit umhegt, nicht
verderbt von den Lockungen des Schauspiels noch von den
Reizungen der Gelage; und von geheimen Briefschaften
weiß weder Mann noch Weib. Höchst selten kommt es in
dem so zahlreichen Volk zu Ehebruch; und dann folgt die
Strafe unmittelbar und ist dem Mann überlassen. Mit abgeschnittenem
Haar, entblößt, vor den Augen der Verwandten
jagt er das Weib aus dem Hause und peitscht sie mit Ruten
durchs ganze Dorf. Und für preisgegebene Keuschheit gibt es
keine Verzeihung: nicht Schönheit, nicht Jugend, nicht reiche
Habe könnte ihr einen Mann gewinnen. Denn dort lacht
niemand über das Laster, und Verführen und Sichverführenlassen
heißt nicht der Geist der Zeit
. Besser steht es gewiß
noch um Völkerschaften, bei denen nur Jungfrauen
heiraten und mit der Hoffnung und dem Gelübde der Ehefrau
einmal für immer abschließen. So erhalten sie einen
Mann, wie sie einen Leib und ein Leben erhalten haben,
auf daß sich kein Gedanke darüber hinaus, kein Begehren
Die Zahl der Kinder zu beschränken oder ein nachgeborenes zu töten, gilt als verruchte Tat; mehr vermögen dort gute Sitten als anderswo gute Gesetze.
In jedem Hause wächst, nackt und ungepflegt, die Jugend zu dieser Größe, zu diesem Wuchs heran, über den wir staunen. Jedem Kind gibt die eigene Mutter die Brust, und es wird nicht Mägden und Ammen überlassen. Freie scheidet von Unfreien keinerlei feinere Erziehung: die einen wie die anderen treiben sich mit den Tieren auf dem Boden herum, bis das Alter die Freigeborenen scheidet und ihr Adel sie kenntlich macht. Spät erfahren junge Männer die Lust; daher ihre unerschöpfte Kraft. Auch die Mädchen werden nicht gedrängt; in gleicher Jugend, von ähnlicher Gestalt, ebenbürtig an Kraft und Gesundheit, geben sie sich dem Gemahl, und von der Stärke der Eltern zeugen die Kinder.
Schwestersöhne sind dem Oheim nicht minder wert als dem Vater. Etliche halten dieses Blutsverhältnis noch für heiliger und enger und fordern, wenn sie Geiseln nehmen, besonders solche Kinder, als hätten sie damit das Gewissen stärker und die Familie in weiterem Kreise verpflichtet. Erben aber und Nachfolger sind jedem die eigenen Kinder, und es gibt kein Testament. Fehlt es an Kindern, so folgen im nächsten Glied die Brüder, Väter- und Mütterbrüder. Je mehr Blutsverwandte, je weiter die Verschwägerung, desto freundlicher das Leben im Alter; Kinderlosigkeit hat keine Lockungen.
Der Erbe muß auch die Fehden des Vaters oder eines Blutsverwandten übernehmen, gleichwie die Freundschaften. Aber sie dauern nicht unversöhnlich fort: sühnt man doch selbst den Totschlag durch eine bestimmte Anzahl von Groß- und Kleinvieh, und das ganze Haus nimmt die Genugtuung an; das kommt dem Gemeinwesen zugute, denn bei solcher Ungebundenheit sind Einzelfehden besonders gefährlich.
Für Gelage und Bewirtungen zeigt kein anderes Volk so hemmungslose Neigung. Irgendeinen Menschen, wer es auch sei, vom Hause zu weisen, gilt als Frevel; je nach Vermögen rüstet jeder dem Fremden das Mahl. Wenn das Seine verzehrt ist, weist der Gastgeber den Weg zu einem anderen Gastfreund und gibt dahin das Geleit. So treten sie ungeladen ins nächste Haus. Da liegt nichts dran; mit gleicher Freundlichkeit werden sie aufgenommen. Bekannt oder unbekannt: im Gastrecht unterscheidet man nicht. Beim Abschied gehört es sich, dem Gaste zu bewilligen, was er sich etwa ausbittet, und eine Gegenbitte wird ebenso unbefangen gestellt. Die Geschenke machen ihnen Freude; aber was sie geben, rechnen sie nicht an, und was sie empfangen, schafft keine Verpflichtung. Wohlwollen nur kettet Gastfreund an Gastfreund.
Gleich vom Schlaf weg (den sie meist bis in den Tag
hinein ausdehnen) baden sie, öfters warm, weil es bei ihnen
die längste Zeit Winter ist. Auf das Bad folgt ein Imbiß;
jeder hat seinen besonderen Sitzplatz und seinen eigenen
Tisch. Dann gehen sie an ihre Geschäfte oder auch, nicht
minder häufig, zum Gelage, immer in Waffen. Tag und
Ihr Getränk ist ein Saft aus Gerste oder Weizen, zu einer Art von Wein vergoren. An der Ufergrenze erhandeln sie auch Wein. Die Kost ist einfach, wilde Früchte, frisches Wildbret, geronnene Milch. Ohne Aufwand, ohne Würzen stillen sie gerade ihren Hunger. Gegen den Durst haben sie nicht die gleiche Mäßigkeit. Wer hier ihrem Hang Vorschub leistete und ihnen zu trinken verschaffte, so viel sie begehren, der könnte sie einmal durch ihre Ausschweifung fast leichter als mit bewaffneter Hand überwinden.
Es gibt nur eine Art von Schauspiel, und die ist bei
jedem Feste gleich. Nackte Jünglinge, die es zum Vergnügen
tun, schwingen sich im Tanz zwischen Schwertern und drohenden
Framen. Übung hat sie gewandt gemacht, Gewandtheit
anmutig; doch suchen sie nicht Erwerb und Lohn:
Ihre andern Sklaven stellen sie, anders als wir, nicht zu genau verteiltem Gesindedienst an; sondern jeder schaltet auf eigenem Anwesen, am eigenen Herd. Der Herr legt ihm nur eine bestimmte Leistung an Getreide, Vieh oder Zeug auf, wie wir unseren Pächtern, und nur so weit geht die Pflicht des Hörigen. Sonst besorgen die Geschäfte des Herrenhauses die Frau und die Kinder. Daß der Sklave gepeitscht, gefesselt und mit Zwangsarbeit gestraft wird, ist selten. Eher noch schlägt der Herr einen tot, nicht zur Strafe oder aus Strenge, sondern im aufwallenden Jähzorn: wie einen Feind, nur daß es hier ungesühnt bleibt. Die Freigelassenen stehen nicht viel höher als Sklaven. Selten haben sie einigen Einfluß im Haus, nie in der Gemeinde, ausgenommen bei den Stämmen, die Königen botmäßig sind. Dort nämlich steigen sie wohl über die Freigeborenen und selbst über Adelige empor. Bei den anderen zeugt die Unebenbürtigkeit der Freigelassenen für die Freiheit des Volkes.
Geld auf Zins zu verleihen und Wucher zu treiben, ist ihnen unbekannt und darum besser verhütet, als wenn es verboten wäre.
Ackerland wird, entsprechend der Zahl derer, die es anbauen wollen, von der Gesamtheit, immer in neuem Ausmaß besetzt und dann jedesmal unter die einzelnen nach ihrem Range aufgeteilt. Die Größe der Gefilde macht solche Teilung leicht. Mit der Anbaufläche wechseln sie Jahr für Jahr, und noch immer bleibt Ackerland brach. Denn ihre Arbeit wetteifert nicht mit der Fruchtbarkeit und der Ausdehnung ihres Bodens, so etwa, daß sie Obstgärten anlegen, Wiesen ausscheiden, Gärten bewässern würden; einzig Getreide fordern sie der Erde ab. Und so teilen sie auch das Jahr nicht in unsere vier Zeiten; nur für Winter, Frühling und Sommer haben sie den Begriff und die Worte; vom Herbst kennen sie weder Namen noch Gaben.
Leichenbegängnisse wollen nicht prunken: nur darauf wird geachtet, daß man die Reste bedeutender Männer mit Holz von bestimmten Arten verbrenne. Auf den Holzstoß häufen sie nicht Teppiche noch Räucherwerk; immer werden die Waffen, zuweilen auch das Streitroß ins Feuer mitgegeben. Ein Rasenhügel bildet das Grab. Ragender Denkmäler kunstreiche Pracht verschmähen sie, als drückend für die Verstorbenen. Von Klagen und Tränen lassen sie bald, von Schmerz und Wehmut lange nicht. Frauen ziemt Trauer, Männern Erinnerung.
So viel habe ich allgemein über Herkunft und Sitten
des ganzen Germanenvolkes erfahren. Nun will ich die
Daß Galliens Macht vorzeiten größer war, meldet der
beste Gewährsmann, der erlauchte Julius [Cäsar]; und so
darf man wohl glauben, daß auch Gallier nach Germanien
hinübergedrungen sind. Denn welch geringes Hindernis
bot nicht ein Strom, wenn eines der Völker, eben im Gefühl
seiner Macht, her- und hinüber zog und da blieb, wo das
Land noch frei und zu keinem Bereich abgegrenzt war? So
haben denn in dem Land zwischen Herzynischem Wald und
Rhein- und Mainstrom die Helvetier, weiter hinaus die
Bojer gewohnt, beides gallische Stämme. Noch lebt der
Name Boihaemum und gemahnt an die Vorgeschichte des
Landes, obschon seine Siedler gewechselt haben.
Ob aber die Aravisker nach Pannonien von den Osen her, aus germanischem Gebiet, oder die Osen aus dem Land der Aravisker nach Germanien eingewandert sind, das ist nicht zu entscheiden (beide haben noch heute gleiche Sprache, gleiche Satzung und Bräuche): denn die nämliche Armut und Freiheit bot einst an beiden Ufern des Grenzstromes genau so viel Vorteil wie Nachteil.
Treverer und Nervier behaupten sogar mit eifersüchtigem
Stolz ihre germanische Abkunft, als würde solcher Adel des
Blutes eine Ähnlichkeit mit den erschlafften Galliern aufheben.
Am Rheinufer selbst wohnen unzweifelhaft germanische
Völker, Vangionen, Triboker, Nemeter. Ja selbst
die Ubier, die doch für ihre Verdienste das Recht der römischen
Kolonien erhielten und sich lieber nach ihrer Stifterin
An Tapferkeit überragen die Bataver alle diese Stämme. Sie bewohnen nur einen kleinen Strich am Ufer, aber das ganze Inselland des Rheins und waren einst ein Teil des Chattenvolkes, der sich bei einem Zwist von der Heimat löste und in diese Gegenden hinüberzog; dort sollten sie dem Römerreiche einverleibt werden. Die Ehre und die Auszeichnung alter Bundesfreundschaft ist ihnen geblieben: kein Tribut entwürdigt sie, kein Steuerpächter saugt sie aus; frei von Lasten und Abgaben, nur dem Dienst im Kriege vorbehalten, werden sie wie Wehr und Waffen für den Kampf aufgespart. In gleicher Abhängigkeit steht auch das Volk der Mattiaker; hat doch das mächtige Römertum über den Rhein und über die alten Grenzen hinaus sein Weltreich Ehrfurcht gebietend erweitert. So sitzen sie, in eigener Gemarkung, auf ihrem Uferland; Gesinnung und Neigung hält sie bei uns. Sonst ganz wie die Bataver; nur daß ihnen noch der Boden und Himmel der Heimat helleren Mut weckt.
Nicht unter die germanischen Völker möchte ich, wiewohl sie jenseits von Rhein und Donau ansässig sind, jene zählen, die das Zehntland bebauen: gallisches Lumpenpack, aus Not verwegen, hat sich sein Stück von dem Boden ungewisser Besitzer genommen. Dann ist der Grenzwall angelegt, sind Festungen vorgeschoben worden, und so bildet das Gebiet ein Vorland des Reichs und einen Teil der Provinz.
Weiter hinaus wohnen die Chatten. Ihr Reich beginnt am Herzynischen Wald, nicht so eben und sumpfig wie die anderen Gebiete im weiten germanischen Flachland; immer wieder erheben sich Hügel und werden nur mählich spärlicher: so geleitet der Herzynische Wald seine Chatten und setzt sie dann ab zu Tal. Es ist ein harter Volksschlag von gedrungenem Gliederbau, trotzigen Mienen und besonders lebhaftem Geist. Für Germanen zeigen sie viel Verstand und Gewandtheit. Sie wissen ihre Führer zu wählen, auf das Wort der Obern zu hören, Reih und Glied zu wahren, den Augenblick zu erspähen, mit dem Angriff zurückzuhalten, ihren Tag einzuteilen und sich für die Nacht zu sichern; und haben gelernt, nicht dem ungewissen Glück, sondern erprobter Tapferkeit zu vertrauen. Und, was sonst sehr selten und nur einer strengen Zucht eigen ist: die Führung gilt ihnen mehr als die Truppe. Ihre ganze Stärke liegt im Fußvolk, dem sie außer den Waffen auch Schanzzeug und Vorräte mitgeben. Andere Völker ziehen in die Schlacht, die Chatten in einen vorbereiteten Krieg; selten kommt es zu Streifzügen und planlosem Gefecht. Und wirklich taugt es mehr für Reiterkräfte, rasch einen Sieg zu gewinnen, rasch zu entweichen. Aber Hast steht der Furcht gar nah, Bedachtsamkeit dem besonnenen Mute.
Was sich auch bei anderen germanischen Völkern als Ausdruck
vereinzelten Wagemuts findet, ist bei den Chatten
allgemeiner Gebrauch geworden; sobald sie mannbar sind,
lassen sie Bart und Haupthaar frei wachsen und tragen sich
nicht anders, solange sie nicht einen Feind getötet haben;
Den Chatten zunächst wohnen am Rheinstrom, der dort schon seinen festen Lauf hat und Grenzwehr zu sein vermag, die Usipier und Tenkterer. Die Tenkterer zeichnen sich außer durch den gewohnten Kriegsruhm durch ihre trefflich geübte Reiterei aus; und dem Fußvolk der Chatten gebührt kein größeres Lob als den Reitern der Tenkterer. Das haben sie von den Vätern her, und die Nachfahren bleiben nicht zurück. Reiten ist das Spiel der Kinder, Männer üben es um die Wette, Greise lassen nicht nach. Neben Gesinde und Gehöft und den Rechten der Nachfolge werden die Pferde vererbt: doch erhält sie nicht, wie das übrige Gut, der älteste Sohn, sondern der streitbarste, der bessere Kämpe.
Neben den Tenkterern traf man früher die Brukterer. Jetzt sollen da Chamaver und Angrivarier eingewandert sein. Die Brukterer wurden durch einen Zusammenschluß der Nachbarvölker geschlagen und ganz vernichtet, sei es aus Haß gegen ihre Überhebung oder wegen der lockenden Beute, oder weil uns etwa die Götter gnädig waren; denn sie gönnten uns sogar, dem Schauspiel des Schlachtens zuzusehen: über sechzigtausend sind nicht der Römer Wehr und Waffen, sondern, was weit herrlicher ist, uns zur Freude und Augenweide erlegen. Bliebe nur, dies mein Gebet, dauernd all diesen Völkern, wenn schon nicht Liebe zu uns, so doch wenigstens ihr Haß gegeneinander; denn nichts Größeres kann uns in des Reiches drängendem Verhängnis das Schicksal gewähren als unserer Feinde Zwietracht.
An die Angrivarier und Chamaver schließen sich im
Rücken Dulgubiner und Chasuarier an und andere nicht
sonderlich häufig genannte Völker. Vorne nehmen die Friesen
die Reihe auf. Sie heißen Groß- und Kleinfriesen nach dem
Maß ihrer Kräfte. Beide Stämme begrenzt bis ans Meer
der Rhein; auch wohnen sie rings um gewaltige Seen, in
die auch schon römische Flotten drangen. Ja, selbst ins Nordmeer
haben wir uns dort gewagt. Und es ist die Sage verbreitet,
daß da noch Säulen des Herkules stehen: sei es, daß Herkules
wirklich hinkam oder daß wir alles Großartige, wo sichs
auch finde, auf seinen Ruhm zurückzuführen gewohnt
sind. An Kühnheit hat es dem Drusus Germanicus auch
nicht gefehlt; doch das Meer ließ sich, ließ die Spuren des
Herkules nicht erforschen. Seither hat es niemand versucht;
So weit gegen Westen hin kennen wir Germanien. Gegen Norden tritt es in ungeheurem Bogen zurück. Gleich zuerst findet sich hier das Volk der Chauken; obwohl es schon nächst den Friesen beginnt und noch einen Teil der Küste innehat, zieht es sich auch in der Flanke aller hier beschriebenen Stämme hin und reicht zuletzt im Bogen bis zu den Chatten. Und diese gewaltige Ländermasse haben die Chauken nicht nur in ihrem Besitz, sondern sie füllen sie auch aus; ein Volk, das unter den Germanen in höchstem Ansehen steht und es dabei vorzieht, seine Macht auf Gerechtigkeit zu stützen. Ohne Habgier, ohne unbändige Herrschsucht leben sie ruhig für sich und reizen keinen zum Kriege, verwüsten sie, rauben und plündern keinem sein Gut. Es ist das höchste Zeugnis für ihre Tapferkeit und Stärke, daß sie ihre überlegene Macht keinem Übergriff danken. Doch haben sie alle rasch die Waffen bereit, und wenn es die Not erfordert, ein Heer: Rosse und Mannen in reicher Zahl. Auch wenn sie Ruhe halten, bleibt ihnen ihr Ruf.
Zur Seite der Chauken und Chatten haben die Cherusker
lange unangefochten einen allzu tiefen, erschlaffenden Frieden
gehalten. Das brachte ihnen mehr Behagen als Sicherheit,
da es verkehrt ist, zwischen unbändigen, mächtigen Nachbarn
ruhig zu bleiben. Wo Faustrecht gilt, darf sich nur der Überlegene
friedlich und redlich nennen. So heißen die Cherusker,
einst als die Wackeren, Gerechten bekannt, jetzt Weichlinge
und Toren; den siegreichen Chatten wurde ihr Glück als
Weis
In der gleichen Ausbuchtung des Germanenlandes, nächst
dem Nordmeer, sitzen die Kimbern, jetzt nur ein kleiner
Stamm, doch von gewaltigem Ruhm. Von ihrem alten Ruf
sind viele Spuren erhalten: an beiden Ufern Wälle und
Lagerräume, deren Umfang noch heute für die Menge
des Heeres und Volks und für die so mächtige Wanderung
Zeugnis gibt. Sechshundertvierzig Jahre stand unsere
Stadt, als uns zuerst die Waffen der Kimbern erdröhnten;
unter den Konsuln Caecilius Metellus und Papirius
Carbo. Zählt man von da bis zum zweiten Konsulat
des Imperators Trajan, so sind das etwa zweihundertundzehn
Jahre; so lange wird nun Germanien besiegt. Und im
Lauf dieser langen Zeit hüben und drüben vielfach Verluste!
Nicht der Samnite, nicht die Punier, nicht Hispanien und
Gallien, ja auch die Parther nicht haben öfter zu schaffen
gegeben: ärger denn eines Arsaces Tyrannei droht der
Germanen Freiheit. Was könnte uns sonst der Osten vorhalten
als den erschlagenen Crassus, für den er doch selbst, von
einem Ventidius niedergeworfen, den Pacorus hingeben
mußte! Germanen aber haben den Carbo und Lucius Cassius,
den Scaurus Aurelius, den Servilius Caepio und Gnaeus
Mallius geschlagen oder gefangen, also fünf konsularische
Heere dem römischen Volke, und den Varus und mit ihm
drei Legionen selbst dem Caesar geraubt; und nicht ohne
Einbußen hat sie C. Marius in Italien, der erlauchte Julius
in Gallien, Drusus, Nero, Germanicus in ihrem eigenen
Nunmehr spreche ich von den Sueben. Sie bilden nicht, wie Chatten und Tenkterer, ein einheitliches Volk, sondern haben den größeren Teil Germaniens inne und zerfallen zudem noch in besondere Völkerschaften mit eigenem Namen, wiewohl sie insgemein Sueben heißen.
Ein Stammeszeichen bildet das seitwärts gekämmte, in einen Knoten geschlungene Haar: dadurch unterscheiden sich die Sueben von den übrigen Germanen und die suebischen Freien von ihren Knechten. Dergleichen kommt auch bei anderen Stämmen vor, vielleicht auf Grund einer Verwandtschaft mit den Sueben, vielleicht, wie das ja oft geschieht, als Nachahmung, ist jedoch selten und bleibt auf die Jugend beschränkt. Bei den Sueben aber streichen sie noch, wenn sie grau sind, das widerstrebende Haar zurück und binden es, oft gerade über dem Scheitel, zusammen; Vornehme tragen es noch kunstvoller hergerichtet. Das ist nun wohl Putz, aber ein unschuldiger; denn nicht um Liebe und Gegenliebe geht es ihnen, sondern mit solcher Sorgfalt schmücken sie sich, zu Kriegern bestimmt, um größer und schrecklicher auszusehn in den Augen der Feinde.
Für die Ältesten und Edelsten unter den Sueben geben
Dafür ehrt die Langobarden ihre geringe Zahl. Von
sehr vielen mächtigen Völkern eingeschlossen, haben sie sich
nicht durch Unterwürfigkeit, sondern in Kampf und Wagnis
gesichert. Es folgen Reudigner, Avionen, Angeln, Variner,
Eudosen, Suardonen und Nuithoner, alle durch Flüsse
oder Wälder geschützt. Zu den einzelnen ist sonst nichts zu
bemerken; gemeinsam verehren sie die Nerthus, das ist die
Mutter Erde; diese, so meinen sie, mische sich in das Treiben
der Menschen und komme von Volk zu Volk gefahren. Es
ruht auf einer Insel im Nordmeer ein heiliger Hain; darin
steht ein geweihter Wagen, mit einer Hülle bedeckt, und nur
Und dieser Teil der Sueben zieht sich bis in ziemlich entlegene Länder Germaniens hin. Näher – um, wie noch zuvor dem Rhein, so jetzt der Donau zu folgen – haust das Volk der Hermunduren, den Römern ergeben. Darum ist ihnen allein von allen Germanen der Verkehr nicht nur an der Ufergrenze, sondern auch tief ins Reich hinein und selbst in der glänzendsten Kolonie der rätischen Provinz erlaubt. Wo sie wollen, kommen sie ohne Aufsicht herüber, und während wir den übrigen Stämmen nur unsere Waffen und Lagerplätze zeigen, haben wir diesen ohne ihr Begehren unsere Häuser und Landsitze geöffnet. Im Lande der Hermunduren entspringt die Elbe, einst ein vielgerühmter, bekannter Strom; jetzt hört man nur eben von ihm.
Nächst den Hermunduren wohnen die Varisten und weiter hin die Markomannen und Quaden. Hoch ragen die Markomannen an Ruhm und Kraft hervor; auch ihr Land danken sie der eigenen Tapferkeit, die einst die Bojer vertrieb. Doch schlagen auch Varisten und Quaden nicht aus der Art; und dies ist gleichsam die Stirnwehr Germaniens entlang der Donau. Markomannen und Quaden haben noch bis auf unsere Zeit Könige vom heimischen Stamm behalten, des Marbod und Tudrus edles Geschlecht. Jetzt fügen sie sich auch Fremden; aber Macht und Gewalt kommt ihren Königen vom römischen Ansehen. Selten werden sie von unseren Waffen, öfter durch Geld unterstützt; es tut ihnen nicht Eintrag.
Noch weiter ab von uns schließen sich Marsigner, Kotiner,
Osen und Burier im Rücken an die Markomannen und Quaden.
Von diesen erinnern Marsigner und Burier in Rede und
Sitte an suebische Abkunft; die Kotiner verraten durch ihre
gallische, die Osen durch ihre pannonische Sprache, daß sie
keine Germanen sind, wie auch durch die Abgaben, die sie
ertragen. Einen Teil davon haben ihnen die Sarmater, einen
anderen – als einem Fremdvolk – die Quaden auferlegt:
dabei fördern die Kotiner, und das mehrt ihre Schmach, noch
obendrein Eisen! Alle diese Völker aber halten wenig Flachland
besetzt, meist Hochwald, Gipfel und Höhenzüge. Denn
mitten durch Suebien zieht als Scheidewand ein Gebirg
in geschlossener Kette; und auf der anderen Seite wohnen
sehr viele Völker, von denen namentlich die Lygier, mehrere
Stämme umfassend, weithin verbreitet sind. Es genügt, die
Alken
. Es gibt von ihnen
kein Bild, keine Spur führt zu fremden Bräuchen; aber als
Brüder werden sie und als Jünglinge verehrt. Die grimmen
Harier helfen, obzwar den zuvor aufgezählten Völkern ohnehin
überlegen, dem Eindruck ihrer an sich schon wilden Erscheinung
zudem durch wohlbedachte Künste nach. Sie
schwärzen die Schilde und überfärben sich den Körper; finstere
Nächte wählen sie zum Kampf. So jagen schon die gespenstischen
Schreckgestalten eines Totenheeres Grausen ein,
und kein Feind widersteht dem unerhörten, gleichsam
höllischen Anblick; denn zuerst erliegen bei jedem Anprall die
Augen. Jenseits der Lygier sitzen die Goten, von Königen,
und etwas straffer als andere Germanenstämme, geleitet,
doch nicht so, daß ihre Freiheit bedroht wäre. Dann dicht
daran, gegen das Meer, die Rugier und Lemovier. All dieser
Völker Merkmal ist, daß sie runde Schilde und kurze
Schwerter haben und Königen gehorchen.
Folgen die Stämme der Suionen, mitten im Ozean, reich
an Mannen und Waffen und auch zur See gewaltig. Sie
haben Schiffe von besonderer Gestalt, derart, daß jedes Ende
Vorderteil sein kann und immer zum Landen bereit ist. Auch
bedienen sie keine Segel und fügen die Ruder nicht reihenweise
an beide Seiten, sondern brauchen sie lose, wie auf
manchen Flüssen, und setzen sie, je nach Bedarf, bald rechts,
Jenseits der Suionen liegt ein anderes Meer, starr und fast unbewegt. Daß es den Erdkreis abgürtet und schließt, darf man wohl glauben, weil sich dort der letzte Glanz der sinkenden Sonne bis zum Aufgang erhält, so hell, daß davor die Sterne verblassen. Manche behaupten sogar, der aufsteigenden Sonne Klingen zu hören und ihr Rossegespann und ihr Strahlenhaupt zu erkennen. Damit sind wir, wenn die Sage recht hat, am Ende der Welt.
Nun denn – rechts schlägt das suebische Meer an die
Küste der Ästierstämme. Diese haben die Bräuche und das
Aussehen der Sueben, ihre Sprache steht der britannischen
näher. Sie verehren eine Göttermutter. Als Zeichen dieses
Dienstes tragen sie Eberbilder bei sich: das ist Schutz und
Schirm gegen alle Gefahr und behütet den Gläubigen auch
im Feindesgewühl. Selten haben sie Waffen von Eisen,
oftmals Keulen. Korn und andere Früchte bauen sie sorgfältiger,
als sonst germanische Lässigkeit zugibt. Aber sie
glesum) an
seichten Stellen und am Strande selbst sammeln. Doch haben
sie, rechte Barbaren, sein Wesen und seine Entstehung
weder bedacht noch erkundet. Ja, er lag lange umher wie
anderer Auswurf des Meeres, und erst unsere Sucht nach
Schmuck schuf ihm seinen Namen. Sie selber gebrauchen
ihn nicht; sie sammeln die rohen Stücke, bringen sie unbearbeitet
zu Markt und wundern sich über den gezahlten
Preis. Indes erkennt man ihn als Baumharz, weil häufig
kleine Landtiere, auch geflügelte, durchschimmern, die sich
in der flüssigen Masse fangen und, wenn sie dann hart wird,
eingeschlossen bleiben. Wie in den fernen Ländern im Osten,
wo die Bäume Weihrauch und Balsam ausschwitzen, mögen
also wohl auch auf den Inseln und Küsten des Westens
merkwürdig ergiebige Haine und Wälder sein: ihre Säfte
werden von den Strahlen der nahen Sonne ausgepreßt
und rinnen noch flüssig den kurzen Weg hinab ins Meer;
die Gewalt der Stürme treibt dann das Harz hinüber ans
andere Gestade. Prüft man den Stoff des Bernsteins im
Feuer, so entzündet er sich wie ein Kienspan und nährt eine
qualmende, riechende Flamme; dann verdickt er sich wieder
zu einer Art Pech oder Harz.
An die Suionen reihen sich die Stämme der Sitonen, sonst ähnlich und nur dadurch unterschieden, daß ein Weib sie beherrscht. So sehr ist bei ihnen nicht nur die Freiheit, sondern noch die Knechtschaft entartet.
Hier endet denn Suebien. Ob ich nun die Stämme der
Darüber hinaus beginnt das Reich der Fabel. So sollen Hellusier und Oxionen Menschenköpfe und menschliches Antlitz haben, aber Leib und Glieder von Tieren. Das ist unverbürgt, und ich will es nicht weiter verfolgen.
Das Land und seine Bewohner (1–5): Grenzen und
Grenzströme (1) – Autochthone Abstammung und Stammsagen der
Germanen (2) – Frühe Besuche aus der Fremde? (3) – Körperbau
als weiterer Beweis der Autochthonie (4) – Natur und Erzeugnisse
des Landes (5).
Leben und Sitten der Germanen (6–27): Waffen, Kriegswesen
(6) – Könige, Fürsten, Priester, Sippen, Frauen (7) –
Frauen im Kampf, heilige Frauen (8) – Götter (9) – Lose,
Vorzeichen (10) – Ratsversammlung (11) – Versammlung als
Gericht, Verbrechen und Strafen (12) – Wehrhaftmachung, Gefolge
(13) – Gefolge im Krieg (14) – Fürsten und Gefolge im
Frieden (15) – Das Leben des einzelnen: Wohnungen (16) –
Kleidung (17) – Ehe (18) – Frauen und Kinder (19) – Erziehung,
Verwandtschaft, Erbfolge (20) – Vererbte Rache, Gastfreundschaft
(21) – Leben im Hause, Trinkgelage (22) – Getränke, Speisen,
Trunksucht (23) – Waffentänze, Würfelspiel (24) – Sklaven (25) –
Ackerbau (26) – Bestattung; Übergang zum besonderen Teil (27).
Grenzvölker (28, 29): Fremde in Germanien: Helvetier und
Bojer, Aravisker und Osen. Treverer und Nervier, angeblich Germanen,
und reine Germanen in Gallien: Vangionen, Nemeter,
Triboker, Ubier (28) – Germanen, die zu den Römern halten: Bataver
und Mattiaker; Zehntland (29).
West- und Nordwestgermanen (Nicht-Sueben, 30–37):
Chatten (30, 31) – Usipier und Tenkterer (32) – Brukterer,
Chamaver, Angrivarier (33) – Dulgubiner, Chasuarier, Friesen
(34) – Chauken (35) – Cherusker (36) – Kimbern, Kimbern-
und spätere Germanenkriege (37).
Sueben (38–45): Ihre Haartracht (38) – Semnonen (39) –
Langobarden und Nerthusvölker (40) – Hermunduren (41) –
Varisten, Markomannen und Quaden (42) – Ost- und Nordostgermanen
(43, 44) – Ende der Welt, Ästier, Bernstein, Sitonen
(45).
Mischvölker im Osten: Peuciner (Bastarner), Veneter, Fennen
(wohl nicht mehr Germanen) und
Fabelreich: Hellusier und Oxionen (46).
Was ist dieses Buch, gewöhnlich Germania
genannt, das die
Insel-Bücherei hiermit erneuert? Vielleicht eine Schilderung, vielleicht
eine Schrift für den Tag und seinen Zweck; sicher ein Kunstwerk.
Eine Schilderung, und als solche das älteste Buch von den
deutschen Landschaften und ihren Bewohnern, schon darum kostbar;
aber auch, weil es so vieles weiß und bewahrt hat. Vor Tacitus
haben wohl, und schon früh, Griechen und Römer über die Germanen
berichtet. Pytheas aus Massilia kam im vierten vorchristlichen Jahrhundert
auf einer Entdeckerfahrt bis zu der Insel Thule
(Island?)
und an die Küste der Nordsee; die Nachrichten des Poseidonios
stehen an der Wende des zweiten zum ersten; Strabon behandelt
Germanien in einem Buche seiner Geographie. Die ältesten römischen
Quellen sind spärlich auf uns gekommen. Erst Cäsars Kriege
in Gallien und seine Aufzeichnungen darüber bringen größere Klarheit;
deutlich sondern sie, zum erstenmal, Germanen und Gallier.
Was Tacitus bei Sallust und Livius (im 104. Buch seiner Römischen
Geschichte) finden konnte, ist längst verloren; verloren auch ein
Werk des Aufidius Bassus über die Germanenkriege und seine Fortsetzung
durch den älteren Plinius. Erhalten aber des Plinius Historia
naturalis, die Geschichte des Velleius Paterculus und die Geographie
des Pomponius Mela; auch die Reichskarte des Agrippa, soweit sie
in der vom Mittelalter aufgezeichneten Tabula Peutingeriana nachwirkt.
Was vor ihm geschrieben wurde, wird Tacitus gekannt haben.
Soldaten, Händler, Beamte aus Germanien gaben ihm neue
Kunde. So ist sein Buch der Wissenschaft unschätzbar geworden, zumal
da es immer mehr durch fortgesetzte Forschungen und besonders
Dennoch dankt man es wohl einem Bedürfnis des Tages. Es war im Jahre 98 nach Christi Geburt. Trajan, der neue Kaiser, weilte lange an den Grenzen Germaniens; in Rom fiel das auf. Da erschien die Schrift des Tacitus. Sie wollte zeigen, wer diese gefährlichsten Feinde Roms seien, und daß der Kaiser gut daran tue, viel Zeit an die Sicherung der Grenze zu wenden und an nichts anderes; daß es insbesondere falsch sei, außer an den Schutz des Reiches noch an einen Angriff zu denken, den eine Kriegspartei erwog. Man darf annehmen, daß der Kaiser, dessen Hause Tacitus nahe stand, die Schrift billigte.
Der Verfasser hat seinen Zweck freilich mit keinem Wort verraten.
Dennoch spricht viel für diese Annahme des großen Müllenhoff.
Tacitus schildert nur – und schildert als Künstler. Der Plan des
Ganzen ist wie jede Einzelheit, jedes Wort bedacht. Land, Eigenart,
Abstammung, Leben des Volkes, dann, vom Nächsten und Bekannten
ausgehend und sich immer mehr in romantische
Ferne verlierend,
seine einzelnen Stämme und Landschaften, bis er im Märchen endet.
Mit knappen, dunklen Worten, oft als Dichter, in rhythmischer
Sprache, der manchmal fast Verse, einmal sogar (Kap. 39) ein
rechter Hexameter, vielleicht wider Willen, gerät. Jeder Absatz ist
durch das zugespitzte Ergebnis einer Betrachtung deutlich bezeichnet.
Niemals siegen nüchterne Angaben über den beziehungsreichen Bildner
des Werkes, über den Meister.
Meister ist er auch als Mensch: ein Mann im altrömischen Sinn.
Dabei verbittert und ergrimmt über seine feile, alle Freiheit erdrückende
Zeit, unter einer besseren Regierung eben wieder aufatmend
So lassen ihn auch seine anderen Werke, so die kargen Nachrichten von seinem Leben erkennen. Er wurde etwa 55 nach Christo geboren und in der rhetorisch-politischen Schulung des Zeitalters herangebildet. Dann war er Staatsmann unter den flavischen Kaisern und zuletzt noch Statthalter in Asien. Mit der Tochter des britannischen Statthalters Agricola verheiratet, hielt er sich während der Verfolgungen unter Domitian fern. Dann, unter Nerva und Trajan, stand er wieder in hohem Ansehen. Er scheint noch die ersten Jahre Hadrians erlebt zu haben.
Als Schriftsteller begann er, wahrscheinlich erst nach Domitians
Tode hervortretend, mit dem Dialog über die Redekunst und ihren
Verfall. Es folgte die Lebensbeschreibung seines Schwiegervaters
Agricola und, noch im gleichen Jahre 98, die Germania. Dann
die Historien, eine Geschichte seiner Zeit von Galba (67) bis zum
Ende Domitians (96), und die Annalen, vom Tode des Augustus
bis zum Ausgang des Nero. Die letzten beiden Werke sind nichts
weniger als vollständig erhalten. In ihnen erst erschließt sich Tacitus
ganz,
, wie ihn Racine nannte.
Er hat immer nur auf Kenner und verwandte Naturen gewirkt, auf
diese aber durch Jahrhunderte, und seine Zeit und Sendung ist noch
lange nicht vorüber. Freilich muß man, nach einer Anmerkung
Lichtenbergs, le plus grand peintre de l’antiquitésehr viel selbst mitbringen, um ihn zu verstehen
.
Die Germania
wird 865 von Rudolf von Fulda zitiert. Dann
bleibt sie lange verschollen. Im Auftrage des Papstes Nikolaus V.
reist Enoche von Ascoli nach Frankreich und Deutschland, um alte
Handschriften zu suchen, und bringt die Germania
und den Dialog
1455 nach Italien. (Die Handschrift, die beide Werke enthielt, ist
wohl in einem deutschen Kloster gefunden worden.) Später kommen
andere Handschriften hinzu. Der Titel der Schrift lautet einmal
, ein andermal
De
origine, situ, moribus ac populis Germanorum
. 1469 schon wird die De origine et situ GermanorumGermania
gedruckt. Wichtig sind die alten Ausgaben von Beatus Rhenanus
und Justus Lipsius, beide aus dem 16. Jahrhundert; die neuen von
Jakob Grimm (1833), Moritz Haupt (1855), Karl Müllenhoff
(Germania antiqua, 1873); ferner Baumstark (1876), Schweizer-Sidler,
zuletzt aufgelegt in der Bearbeitung von Schwyzer (1912).
Diese unsere Übersetzung ist nicht die Arbeit eines Philologen. Sie geht von dem Künstler Tacitus aus und sucht den Rhythmus seiner Sprache und den Gehalt seines Wesens für Deutsche wieder lebendig zu machen.
Sie lehnt sich fast überall an den Text von Schweizer-Sidler an; die Deutung und namentlich die folgenden Erläuterungen beruhen (von anderen Quellen abgesehen) auf seinem Kommentar, auf Baumstark und vor allem auf der ausführlichen Erklärung der Germania, die Müllenhoff im 4. Band seiner Deutschen Altertumskunde bietet. Von den zahlreichen Übersetzungen wurden alle wichtigeren, soweit sie erreichbar waren, benutzt, insbesondere alle neuen und neu aufgelegten; von älteren namentlich die von Bötticher und Bacmeister.
Den Herren Dr. Friedrich Löhr, Sekretär des Archäologischen Instituts in Wien, und Dr. Gustav Kafka, Privatdozenten an der Münchner Universität, schuldet der Übersetzer für freundliche Ratschläge besonderen Dank.
Die römische Provinz Rätien reicht nördlich bis zur Donau
(Ries!), östlich zum Inn; von da bis zum Wienerwald Noricum,
von Tacitus nicht genannt; weiter zwischen Donau und Save
Pannonien. Sarmater in Osteuropa, etwa von der Weichsel an,
Daker in Siebenbürgen. Gebirge die Karpathen. Ein Kriegszug:
der des Tiberius im Jahre 5 n. Chr.? Abnoba Schwarzwald.
Der Beweis des ersten Absatzes ist wenig überzeugend. Asien,
Afrika, Italien die römischen Südprovinzen. Tuisto (Zwist!)
ist zweigeschlechtig, Mannus Mann, Mensch, der erste Mensch. Die
Namen der Marser (Merseburg) und Gambrivier verschwinden
bald; sind es, wie Sueben und Vandilier (Ostgermanen), Kultverbände?
Die Tungrer (Tongern!) wurden Germanen genannt
(von den Kelten? die Form ist keltisch: Rufer im Streit
oder
Nachbarn
?); sie drohten, um ihr Ansehen zu heben, mit anderen
Germanen
über dem Rhein. Die Völker rechts des Rheins hätten
sich dann wirklich so genannt (Müllenhoff). Eine verzweifelte
Stelle!
(Grimm.)
Herkules wohl Donar; barditus ist nicht genügend erklärt.
Ulixes (Odysseus) der Schwanenritter? Asciburgium Asberg
bei Mörs im Rheinland. Griechische Schrift verwenden die
Kelten.
Tacitus selbst erwähnt in den späteren Annalen, daß die Mattiaker
(bei Wiesbaden) Silbergruben hatten. Ganz so harmlos gegen
Gold und Silber waren auch die ältesten Zeiten der Germanen
nicht (Tacitus an anderen Orten, die Sage!). Die erwähnten
Die Germanen galoppieren rechts, weil sich beim Galopp links
die linke, nicht vom Schild gedeckte Seite des Körpers dem Feinde
zuwenden würde. Wirklich zeigen Gräberfunde den Sporn nur am
linken Fuß (Schweizer-Sidler). Der Keil kehrt seine Spitze dem
Gegner zu.
Könige und Fürsten haben gleiche Befugnis, Fürst ist der
König eines kleineren Gebietes. Der König wird aus dem Erbgeschlecht
jedesmal gewählt. Königtum und Fürstenherrschaft gehen
geradezu ineinander über. Im Osten sind Könige häufiger. Der
König ist Heerführer. Nur bei der Vereinigung mehrerer Heere wird
ein König zum dux gewählt (Müllenhoff).
Die Brüste entblößend: ihr Leib soll nicht fremden Siegern
gehören. Veleda zuletzt gefangen nach Rom gebracht. Machten ...
Göttinnen wie die römischen Senatoren, die so den Frauen der
Kaiser schmeichelten.
Mercurius (besonders als Totenführer): Wotan (dies
Mercurii = Wednesday). Mars: Tiu, Ziu (dies Martis = Tuesday).
Herkules: Donar. Diese drei Götter nennt noch ein Taufgelöbnis
des 8. Jahrh. Isis: vielleicht Freya? (Nerthus!) Die illyrischen
Liburner hatten leichte Schiffe.
Wilder Fruchtbaum: Eiche, Buche, Haselstrauch, Wacholder.
Zeichen durch Pferde auch bei Persern und Slaven.
Nächte noch jetzt Weihnacht, Fastnacht, Fortnight. In Waffen
noch jetzt Spießbürger
. Jeder: Müllenhoff folgert aus dem
grammatischen Sinn, daß nur rex vel princeps reden durften, nicht
jeder Teilnehmer. Aber jedesfalls licet accusare usw. (Kap. 12).
Am Körper Geschändete: widernatürliche Männer, aber wohl
auch entehrte
Frauen, für die sich Todesstrafe noch lange erhält.
Dieses Versenken ist eine Weiberstrafe, daher besonders schimpflich.
Frevel – Schandtat: das germanische Rechtsbewußtsein nimmt
die offene, nicht verheimlichte Tat, ohne List, leichter hin. Die Fürsten
bestimmt nämlich aus der Zahl der vorhandenen Fürsten. Recht
sprechen ist römische, nicht germanische Auffassung; nach dieser
leitet der Fürst (später Gaugraf) nur die Volksverhandlung, der
Rat macht den Urteilsvorschlag, der Beistand gibt das Vollwort
:
sie finden
das Recht, der entsendete Richter tut nur den
Spruch.
Brustschmuck (phalerae) ähnlich den Orden (oder wie Medaillons?).
Geld: römische Kaiser (Caligula, Domitian) schließen
um Geld mit den Germanen Frieden oder erkaufen Triumphe.
Vielleicht: in Wirklichkeit aus Unabhängigkeitssinn. Der Schlußsatz
sucht die gewohnte Zuspitzung am Ende eines Abschnittes, wird
aber gerade wortreich und gewöhnlich.
Kleid die Unterkleidung, unter dem Rock, geht nach Baumstark
unten (auch bei Frauen?) in Hosen aus. Bei Frauen, namentlich aber
bei vornehmen, trotzdem Unterschiede in der Kleidung (vgl. die
Germanin, sog. Thusnelda der Loggia dei Lanzi in Florenz): lang
Kleidung läuft
oben nicht in Ärmel aus wie in Rom. Die germanischen Männer
wiederum hatten Ärmel, wenn auch kurze. Das Frauengewand wird
nur an der Schulter zusammengehalten; der Armschlitz läßt die Brust
zum Teil sichtbar werden.
Umworben werden von den Familien der Mädchen. Mitgift
– Geschenke: Tacitus merkt nicht, daß er vom Brautkauf erzählt;
Mitgift ist der Preis. Das Gegengeschenk der Braut (etwa ein
Speer) ist das Zeichen für den Übergang der Gewalt vom Vater
an den Ehemann. Alles dies vermengt Tacitus mit den Vorstellungen
und Formeln der confarreatio, der strengen altrömischen Ehe.
Schauspiel das römische Theater mit seinem mehr als eindeutigen
Getriebe.
Anspielungen auf die Erziehung durch Sklaven in Rom und auf die Erbschleicherei bei Kinderlosen sind deutlich.
Eröffnet es noch: die Römer halten sich selbst da zurück. Überhaupt
ist in diesem Kapitel fast jeder Satz ein Widerspiel römischer
Sitten (Passow). Die Römer stehen früh auf, speisen lieber an einem
gemeinsamen Tisch, dürfen in der Stadt nicht bewaffnet gehen und
sollen nicht vor Abend trinken.
Getränk Bier. Ufergrenze wohl nur des Rheins; die Sueben
an der Donau dulden keinen Wein, weil die Händler als Gegenwert
Sklaven fortschleppen.
Tacitus denkt hier nur an die Hintersassen
; es gibt aber auch
Besser verhütet: Müllenhoff und Baumstark können diesen
Satz nur durch Flüchtigkeit erklären. Die folgende Schilderung der
Anbauverhältnisse, von allen Seiten her erläutert, ist nach Müllenhoff
übersetzt. Nicht in vier Zeiten: sondern in Winter und
Sommer. So zählen sie auch, also nach halben Jahren. Doch ist Herbst
ein altgermanisches Wort; nur brachte die Getreideernte bei den
Germanen freilich schon der Sommer, Wein und edles Obst aber
kannten sie nicht. Daher wohl der Irrtum des Textes.
Übergang vom allgemeinen zum besonderen Teil der Schrift.
Caesar wird als einziger Gewährsmann ausdrücklich genannt.
Diese seine Behauptungen nimmt schon Tacitus nur mehr hin, heute
sind sie als unrichtig erkannt. Die Kelten, die früher auch rechts vom
Rhein saßen, wurden vielmehr von den Germanen überall zurückgedrängt.
Herzynischer Wald das ganze deutsche Mittelgebirge,
hier etwa Schwarzwald und Rauhe Alb. Helvetier bald darauf in
der Nordschweiz, Bojer damals in Böhmen (Beheim), Aravisker
um Stuhlweißenburg, Osen in Oberungarn; diese beiden pannonische
Stämme. Von den Osen ist es Kap. 43 ausdrücklich bezeugt; die
Worte Germanorum natione können nur auf den Wohnsitz gedeutet
werden. Treverer um Trier, wahrscheinlich Gallier, Nervier
an der Sambre, Vangionen um Worms, Triboker bei Hagenau,
Nemeter um Speyer, Ubier 38 v. Chr. durch Agrippa ans linke
Rheinufer verpflanzt; ihr Hauptort wird die colonia Agrippinensis,
der Geburtsort der Agrippa, Tochter des Germanicus und Gemahlin
des Kaisers Claudius. Sie ist auch die Stifterin der Kolonie (Köln!).
Bataver im Rheindelta; die behauptete Auswanderung von
den Chatten her wohl nicht richtig. Auch nach dem Aufstand des
Civilis (69 und 70 n. Chr.) bleibt das Freundschaftsverhältnis zu
den Römern. Mattiaker um Wiesbaden, dessen Quellen schon bekannt
sind. Über die alten Grenzen endgültig durch den Bau des
Grenzwalls (limes), der, von Domitian begonnen, in seiner Vollendung
(3. Jahrh.) von der Donau bei Lorch oder Kehlheim über
Odenwald und Taunus an den Rhein (Neuwied) ging; 550 km lang.
Man hat schon tausend Wachttürme und hundert Kastelle (darunter
die Saalburg) festgestellt. Er ist zuletzt eine förmliche Mauer. Zehntland
(agri decumates, nur hier erwähnt) römisches Staatspachtland
am mittleren Neckar.
Weiter hinaus über das Zehntland hin. Chatten = Hessen.
Sie sind, außer den Friesen, nach Grimm der einzige deutsche
Volksschlag, der mit behauptetem alten Namen bis auf heute an
derselben Stelle haftet, wo sie in der Geschichte zuerst erwähnt
werden
. Ihnen widerfährt hier unter allen Stämmen das größte
Lob.
Usipier (Usipeter) und Tenkterer, immer gemeinsam genannt,
vom Siebengebirge gegen Ruhr oder Lippe.
Brukterer zwischen Ems und Lippe (ihre Seherin Veleda!);
später zurückgedrängt, aber keineswegs vernichtet. Die 60000 sind
übertrieben. Alle diese Stämme gehen in den Franken auf, deren
Hauptvolk später die Chamaver werden, damals nördlich der Lippe
bis zum Zuydersee. Angrivarier, an der Weser, später als Angern
ein Hauptstamm der Altsachsen.
Im Rücken – vorn: die Völker mit dem Gesicht zur See.
Dulgubiner in der Gegend von Hannover (?), Chasuarier an der
Haase, Friesen zwischen Zuydersee und Ems, die Kleinfriesen zwischen
Rhein und Yssel. Seen besonders der Zuydersee, aber auch viele
andere, da es an Deichen fehlt; so entstehen förmliche Inseln.
Römische Flotten: Drusus Germanicus (12 v. Chr.) und sein
Sohn Germanicus (14 und 15 n. Chr.). Auf eine andere, nicht
recht zu bestimmende Unternehmung deutet Kap. 1. Säulen des
Herkules wie bei Gibraltar (die Klippen von Helgoland?); hier ist
der römische Herkules gemeint. Niemand versucht: nach Drusus
Germanicus jedesfalls Tiberius (5 n. Chr.).
Zum Anfang dieses Kapitels: man denkt sich die kimbrische
Halbinsel (Schleswig-Jütland) von der Elbemündung an stark ostwärts
geneigt. Chauken am Meer zwischen Ems und Elbe. Nach
Müllenhoff sind es vielleicht überhaupt nur andere Friesen, Chauken
ein Ehrenname. Im Bogen hätten sie die Chatten an der Weser
treffen müssen, eine wahrscheinlich unrichtige Angabe. Plinius schildert
die Chauken als armseliges Fischervolk, immer von Sturmfluten bedroht.
Das auffallende Lob des Tacitus vielleicht beabsichtigter
Gegensatz zum folgenden Kapitel.
Zur Seite östlich. Cherusker in der Umgebung des Harzes,
früher noch weiter nordwestlich, zwischen Weser und Elbe. Am bekanntesten
durch ihren Kampf gegen die Römer: Vernichtung des
Varus im Teutoburger Walde. Arminius, der Befreier Germaniens
,
besiegt auch Marbod, den König der Markomannen. Bald werden
aber die Cherusker zurückgedrängt, innere Zwistigkeiten, Kämpfe
mit den Chatten wüten, vom Frieden des Tacitus ist keine Rede.
Fosen in der Wesergegend.
Kimbern: ein Rest also noch auf der kimbrischen Halbinsel. Auf
ihrem großen Zuge stoßen die Kimbern 113 v. Chr. (641 [der varronianischen,
640 der catonianischen Ära] nach der Gründung der
Stadt – Tacitus hält sich an die runde Zahl –) auf die Römer unter
Papirius Carbo. 107 wird der Konsul L. Cassius mit seinem Heer
vernichtet, 105 der Prokonsul Servilius Caepio und der Konsul
Gnaeus Mallius. Das sind drei konsularische Heere; Aurelius Scaurus,
gleichfalls geschlagen und getötet, hatte kein eigenes Heer, und
Carbo erlitt nur eine geringe Niederlage. Das zweite Konsulat
Trajans ist 98 n. Chr. Diese Stelle gilt als Beweis für die Abfassung
der Germania
im gleichen Jahre. Arsaces begründet
im 3. Jahrh. v. Chr. das große Partherreich, lange neben Rom
die einzige östliche Großmacht; Crassus wird 53 v. Chr. von den
Parthern getötet, Ventidius, ein Emporkömmling, rächt die Niederlage,
indem er die Parther am Jahrestage dieser Schlacht 38 v. Chr.
besiegt und ihren Prinzen Pacorus tötet. Selbst dem Caesar:
Augustus. Nero ist Tiberius. Rüstungen des C. Caesar: Caligula;
er läßt seine germanische Leibwache Feind spielen und triumphiert
(40 n. Chr.); später feiert auch Domitian einen höchst sonderbaren
Triumph. In den Bürgerkriegen nach Neros Tod beginnt der
Aufstand der Nordwestgermanen.
Nunmehr eröffnet den zweiten Hauptteil: Tacitus rechnet alle
folgenden, auch die nichtgermanischen Stämme zu den Sueben.
Aber schon die Nerthusvölker gehören nicht mehr dazu; auch nicht
die Ost- und Nordgermanen. Sueben wortgleich mit Schwaben
.
Stammeszeichen: der Knoten, ohne Band, an der rechten Schläfe
über dem Ohr ist durch Bilder bezeugt, aber auch bei Nichtsueben; eher
wären nach Baumstark im letzten Satz des 43. Kapitels Kennzeichen
angegeben. Baumstark unterscheidet die Männer, die diese Knoten
ohne Band tragen, von denen, die ihn über dem Scheitel (mit einem
Band) flechten, und diese wieder von den Vornehmen
.
Müllenhoff hält den Namen Semnonen für hieratisch: ihr
Wohnsitz, etwa im Spree- und Havelland, entspricht der von ihm
behaupteten Urheimat der Germanen. Der besonders großartige
Kultus ist denn auch der des Stammvaters Ziu, an dem die Sueben
festhalten; ihre Stadt ist Ziesburg = Augsburg. Im 3. Jahrh. wandern
die Semnonen als Alamannen (alle Mannen, ein Zusammenschluß!)
an den rätischen Limes und erobern von da ab das jetzt noch alemannisch-schwäbische
Gebiet. Der Vers auguriis – sacram im
Deutschen durch Zeichen – weihten
wiedergegeben. Vgl. die allgemeine
Einleitung!
Langobarden an der unteren Elbe; im 5. Jahrh. über Südmähren
ins Alföld (ihr Feld
) und weiter nach Pannonien und
Italien (Lombardei). Die sieben Nerthusvölker: eine Kultgemeinschaft,
in Schleswig-Holstein, vielleicht auch Mecklenburg; die Angeln
gehen später nach England. Nicht genannt sind die Sachsen, damals
in Holstein. Nerthus nicht etwa Hertha (eine falsche Bildung),
sondern Freya; als Mutter Erde (magna mater Idaea) bezeichnet,
weil auch diese auf einem Wagen gefahren wird und ein Priester
Bild und Wagen reinigt. Insel sicher nicht Rügen, ebenso der See
nicht der Herthasee, dessen Sage eine späte gelehrte Erfindung ist.
Wenn man es glauben darf: also kein Götterbild (Kap. 9).
Wie noch zuvor: vom Zehntland bis zu den Chauken (Kap. 35),
ja im wesentlichen sogar bis zu dieser Stelle folgt Tacitus der Südnordrichtung
des Rheins; im folgenden der Westostrichtung der Donau.
Hermunduren zwischen Harz und Erzgebirge, südwärts bis
zum Main, vielleicht sogar zur Donau. Die gute Ausnahme bei den
Römern deutet nicht gerade auf unmittelbare Nachbarschaft; Grenznachbarn
des Reiches dürfen den Strom nur an bestimmten Stellen
unter Aufsicht überschreiten. Kolonie ist Augusta Vindelicorum
(Augsburg). Elbe: man dachte sich wohl die Moldau oder Eger
oder thüringische Saale als Oberlauf der Elbe. So weit waren
römische Heere gedrungen, aber seit der Niederlage des Varus
kannte man die Elbe nur noch vom Hörensagen.
Varisten am Fichtelgebirge, Markomannen in der großen
Mark
zwischen Main und Donau, die nach dem Abzug der Helvetier
entstanden war, ein suebisches Volk. Marbod führt sie nach
Böhmen, wo schon vorher, vielleicht mit durch die Markomannen,
die Bojer vertrieben worden waren. Er begründet ein mächtiges
Reich, das bis zur Weichsel reicht, aber ein Krieg mit den Cheruskern
zerstört es, und Marbod flüchtet zu den Römern. Später,
unter Marc Aurel, der Jahre währende große Markomannenkrieg
der Römer (Vorspiel der Völkerwanderung?). Im 6. Jahrh. wird
Böhmen slavisch, die Markomannen sind nach Bayern gerückt. Hier
ist der Stamm, vom Lech bis zur Enns, geblieben (Bayern und
Deutschösterreicher). Quaden wahrscheinlich mit den Markomannen
zusammen gewandert, gleichfalls Sueben, in Mähren und Oberungarn,
Bundesgenossen der sarmatischen Jazygen, 407 mit den
Vandalen nach Spanien. Stirnwehr gegen Rom. Tudrus wahrscheinlich
ein Quadenkönig.
Noch weiter ab: nördlich und östlich der Markomannen und
Quaden, um das schlesische Gebirge. Eisen, das bei den Germanen
so selten ist, verwenden die Kotiner nicht einmal, um sich von den Abgaben
zu befreien. Gebirge der östliche Teil des Herzynischen
Waldes, besonders das Eschengebirge, slavisch Jesenik, Gesenke. Lugier
oder Lygier die Südgruppe der Ostgermanen, wieder ein Kultverband
(Vandilier, Kap. 2), der alle hier genannten Stämme und
wohl auch die nicht genannten Burgunder umfaßt. Das Heiligtum
liegt bei den Nahanarvalern (hieratischer Name, Müllenhoff). Die
Lugier, von der Ostgrenze Böhmens bis zur Weichsel, heißen später
Vandalen, eine Nebenform von Vandilier
. Ihre Wanderung
führt nach Gallien, Spanien, Nordafrika. In Frauentracht: nur
der Haarschmuck oder wirklich Frauenkleidung? Das erste aus Hasdingi
(dem Namen des Königsgeschlechtes und darnach des ganzen
Volkes) abgeleitet, Männer mit Frauenhaar
; das Königsgeschlecht
aber nennt sich nach dem Brüderpaar Kastor und Pollux
, einer
alten indogermanischen Lichtgottheit, gleich den Dioskuren: Alken
und Hasdingi
soll zusammenhängen. Das Totenheer und die
straffere Königsherrschaft leitet die Steigerung ein, die allmählich
in das Reich des Märchens hinüberführt. Goten, das bedeutendste
ostgermanische Volk, das Heldenvolk der Germanen, zwischen Weichsel
und Pregel; später in Südrußland, wo sich in der Krim Reste bis
ins 16. Jahrh. erhalten haben. Ihre Wanderung ist bekannt. Rugier
und Lemovier damals an der Ostsee zwischen Weichsel und Oder,
die Rugier später an der österreichischen Donau.
In der Westostrichtung zur Ostsee, von der man damals keine
rechte Vorstellung hatte. Suionen sind Schweden, Skandinavien
gilt als Insel. Schiffe, ähnlich den hier beschriebenen, noch heute
Reichtum: Geldgier
führt zur Entartung, und Entartete lassen sich einen unumschränkten
Herrscher gefallen. Aber der schwedische König, der ein Stammesheiligtum
verwaltet und dafür Opfersteuern einnimmt, hat in Wirklichkeit
gar keine unbeschränkte Macht. Nur gebietet er Festfrieden,
und dann sind alle Waffen verschlossen (Kap. 40). Vielleicht haben
Südgermanen, die den Glanz dieser Feste sahen, das Mißverständnis
verschuldet. Steigerung gegenüber der Königsmacht der
Goten!
Jenseits nördlich. Starr: Pytheas von Massilia berichtet, es
gebe eine Der Erdkreis ist eine Scheibe, die Sonne
am Rand so nahe, daß man ihre Rosse und die Strahlen um das
Haupt des Sonnengottes wahrnimmt. Die aufgehende Sonne erklingt
nach altem Glauben. Tönend wird für Geistesohren schon
der neue Tag geboren ... welch Getöse bringt das Licht!
(Faust).
Nun denn: der Bericht geht wieder zu einer bekannten Gegend über.
Die rechte Küste ist nach der Westostrichtung die der Ostsee. Ästier
sind die Litauer; erst später geht der Name auf die finnischen Esthen
über. Das Folgende zeigt gerade, daß die Ästier keine Germanen
sind; die Ähnlichkeit mit der britannischen Sprache wohl nur zufällig.
Bernstein, ein uralter Schmuck, wird über die Bernsteinwege
zu Land und zur See nach Südeuropa gebracht. Die Entstehung des
Bernsteins nach Plinius; die Anschauung, daß von den Enden der
Welt kostbare Schätze kommen, bei Herodot. glesum: Glas, das
Glänzende. Landtiere: Martial nennt die Viper. Sitonen östlich
von den Suionen sind Finnen (Kvänen; Anklang an gotisches qêns,
Weib, queen): daher der Bericht über die Frauenherrschaft.
Höhe
Peuciner ein anderer Name für die Bastarner, das östlichste
Germanenvolk (von der Weichsel durch Galizien hin zur Donaumündung),
auch das zuerst, schon den Griechen, 200 v. Chr. an der
unteren Donau bekannte. Veneter Wenden, das germanische Wort
für Slaven. Fennen: Finnen. Die Schilderung bezieht sich nur
auf ihr Leben im Sommer. Die Hellusier sollen Hirschartige
,
die Oxioner Ochsenartige
sein, vielleicht nach den Tierfellen, die
sie tragen; und daher wohl auch die Fabel.
[Illustration: Karte zu Tacitus’ Germania]
Druck der Spamerschen
Buchdruckerei, Leipzig
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